Im Osnabrücker Land werden Manager an die Leine genommen. Zumindest war das mein Gedanke, als ich gelesen habe, dass Daniela A. Ben Said in schöner naturnaher Umgebung Horse-Coaching anbietet. Dass Tiere für die Erkundung unserer selbst hervorragende Sparringspartner sind, war mir bekannt. Hunde oder Delphine zu Therapiezwecken, klar doch. Aber mehr oder weniger bekennende Alphatiere – und das dürfte auf viele Manager der Generationen „Baby Boomer“ und „X“ zutreffen – mit Pferden zusammenzubringen erregte meine Neugierde.
Nach nunmehr über 15 Jahren Employer Branderei habe ich die Höhen und Tiefen dieser Disziplin erlebt, habe Stolpersteine erkannt und bin über manche gestolpert, weiß um die gute Absicht hinter dem Konzept und die Hürden in seiner Anwendung. Insbesondere bei der Frage der Haltung trennt sich die Spreu vom Weizen. Und so habe ich bildlich gesprochen im Wald vor lauter Branding-Bäumen die Eiche des Employer Standing entdeckt. Und zu meinem Thema erkoren.
Ich sage ja gerne, Gutes entstehe aus sich selbst heraus. Und so schlägt uns das Leben mehr Brücken, als wir ahnen. Man muss es nur mal machen lassen. Es lenkte meine Aufmerksamkeit also auf Daniela A. Ben Said, die auf 3 Hektar ihre Quid Agis Akademie für Verkaufs-, Vertriebs- und Führungstrainings betreibt und sich zudem als mehrfach prämierte Rednerin einen Namen gemacht hat. Und weil Haltungsfragen im Kontext der Arbeitswelt viel mit Führung zu tun haben, musste diese Frau doch etwas zu erzählen haben. Nun sind mir persönliche Gespräche noch lieber, als die Lektüre ihrer Bücher, und so bat ich um ein Gespräch und hatte Anfang Februar das Vergnügen, Frau Ben Said auf ihrem Hof besuchen zu dürfen. Und zu klären, wer beim Horse Coaching an die Leine genommen wird, Pferd oder Manager?
Ein herzlicher Empfang, eine fantastische Atmosphäre für Rückzug, Einkehr, Durchatmen. Und eine gut aufgelegte Gesprächspartnerin, deren Charme und Prägnanz sich ungebremst entfaltete. Wie auf der Bühne, auf der ich sie Ende vergangenen Jahres erlebt habe. So kamen wir dann rasch auf den Punkt:
Was Pferde besser können, als Manager? Sie lügen nicht. Seminare mit Tieren sind die gnadenlosesten, die es gibt.
(Daniela A. Ben Said im Februar 2020)
Warum das so ist, erläutert Daniela A. Ben Said mit der Geschichte des „Klugen Hans“ (hier ein Bericht im tagesspiegel). Von diesem Wunderpferd behauptete 1904 sein Besitzer Herr von Osten, es beherrsche u. a. die Grundrechenarten. Die Rechenkünste führte er einem wissenschaftlichen Konsortium vor, dass die Fähigkeiten zwar bestätigte, aber keine Erklärung dafür fand. Die lieferte wenig später ein Maler, der angestachelt durch die Berichte über das Wunderpferd seinem Hund ähnliches beibrachte. Die Erkenntnis: Hunde und Pferde in besonderem Maße reagieren auf kleinste Veränderungen in Mimik, Gestik und Körperbewegung ihres Gegenüber. Dieses hohe Maß an Sensibilität und Empathie macht Pferde zu ausgezeichneten Trainingspartnern. Sie führen uns gewissermaßen auf uns selbst zurück.
„Menschen kann man ziehen, in die Knie zwingen. Pferde nicht, sie sind uns körperlich überlegen. Ein Pferd am Strick zu führen verlangt Einfühlung, Klarheit und mentale Stärke. Dazu gehört, Angst und Überforderung zu offenbaren“, bringt meine Gegenüber die Sache auf den Punkt. Das leuchtet ein und bringt uns unweigerlich in die Führungspraxis vieler Managementebenen. Das über Jahrzehnte erlernte und etablierte Führungsmodell setzt auf Delegation und Kontrolle. Spürt ein Manager der alten Schule Unsicherheiten, kanalisiert er sie über die Mitarbeitenden. Getreten wird eben immer nach unten. Genau das funktioniert beim Horse Coaching nicht.
Wenn du Angst hast, musst du signalisieren, dass du Angst hast.
(Daniela A. Ben Said im Februar 2020)
Wer hat nun die Hosen an, Manager oder Pferd? Und wie schmal ist der Grad zwischen Sensibilität und Strenge in der Führung? Ganz klar der Mensch, nehme ich mit. Er führt das Tier, nicht umgekehrt. Auch oder gerade weil uns das Tier oftmals körperlich überlegen ist. Dabei ist der Grad zwischen Sensibilität und Strenge ausgesprochen schmal. Agiere ich zu sensibel, wirke ich lasch, wenig überzeugend und provoziere eine übersteigerte Betriebsamkeit der Mitarbeitenden, die durch meine überhöhte Sensibilität entstandene Handlungslücken zu füllen versuchen. Agiere ich hingegen zu streng, wirke ich unangemessen dominant und trage zur Demotivation meines Umfeldes bei. In Führungsfragen geht es also um mentale Stärke und Erfahrung, nicht um körperliche, stimmliche oder agitatorische Präsenz oder gar Überlegenheit. Das entsprechende Exempel findet Ben Said erneut in der Natur:
In der Tierwelt führt das Tier das Rudel an, das ihm das Gefühl der Sicherheit gibt. Und das ist nicht immer das stärkste.
(Daniela A. Ben Said im Februar 2020)
Ich frage mich während unseres etwa 1,5-stündigen Gespräches, wie viele Naturanalogien auf das Wirtschaftsleben anwendbar sind, wie streng man ihnen folgen kann und ob wir nicht irgendwann in den Darwinismus abdriften. Aber auch das ist eine Frage der Haltung. Was gibt meinem Leben Orientierung, welchen Werten und Handlungsmaximen verpflichte ich mich und wie intensiv spiegelt mein Handeln mein Denken wider? „Letztlich sind wir Menschen auch nur Säugetiere mit einem hoch entwickelten Kommunikationsapparat.“, erläutert die studierte Psychologin ihre naturnahe Interpretation der Haltungsfrage.
Überhaupt ist Daniel A. Ben Said ein Paradebeispiel für Haltung. Arbeits- und Lebenslauf sowie zahlreiche Aus- und Weitebildungen bilden ein starkes Fundament, das ihr zu einem ausgesprochen selbstbewussten Auftreten verhilft. Im wahrsten Wortsinn ihrer selbst bewusst tritt sie für ihre Überzeugung ein. So auch für ihre Einstellung gegenüber Zielen. Unser Wirtschaftsleben hat uns eine sich fortwährend drehende Spirale aus Gewinnmaximierung und daran angeschlossen persönlicher Wohlstandsmehrung beschert. Ein Umstand, der mich immer wieder zum Grübeln darüber bringt, welcher Haltung es bedarf, um in diesem System bestehen zu können. Und hier gehen Natur und Menschsein weit auseinander:
Wenn ein Löwe satt ist, legt er sich in den Schatten und ruht sich aus. Konzerne und auch Manager fressen immer weiter.
(Daniela A. Ben Said im Februar 2020)
Haltung innerhalb einer Organisation hat immer etwas mit den Führungspersönlichkeiten im Unternehmen zu tun. So, wie ich eingangs erwähnte, dass uns das Leben mehr Brücken schlägt, als wir ahnen, führt mich unser Gespräch an einen Punkt, der mich an den sehr inspirierenden Austausch mit Markus Gullim vergangenen Dezember erinnerte. „Bei Haltungsfragen geht es immer um individuelle Einzelpersönlichkeiten“, so der Drehbuchautor, Marken- und Storytellingexperte. Einem Schlussapell an die Haltungsfrage in Organisationen gleich schloss sich da Ben Saids Gedanke an: „An der Haltung kann ich nur arbeiten, wenn ich am Individuum arbeite.“ Und das geht mit Pferden eben besonders gut.
Vielen Dank an Daniela A. Ben Said für diese kurze intensive Reise, bei der wir auch über Bürgerzufriedenheit, Scheichs und Udo Lindenberg sprachen. Wohin mich mein Weg rund um das Thema Employer Standing als nächstes führt, weiß ich noch nicht genau. Ja, auch Udo Lindenberg habe ich persönlich angeschrieben. Und wenngleich ich überzeugter Naivling bin, bin ich doch nicht so blauäugig zu glauben, dass daraus was würde. Aber sicherlich kommen weitere sehr interessante Gespräche auf mich und euch zu.
Danke fürs Lesen, teilen, kommentieren.
Und immer schön Haltung bewahren!