Beitrag zur Blogparade im Rahmen der DGFP-Mission zum Mars
#DGFPc18
Wenn der Aufbruch der arbeitenden Wissensgesellschaft ins neue Zeitalter mit Globalisierung, Digitalisierung und allem drum und dran eine Reise zum Mars ist, dann sollten wir uns warm anziehen. Nicht nur, dass wir dort Lufttemperaturen von -100 bis +10 Grad Celsius vorfinden, auch der Flug dorthin ist nicht mal eben so zu bewerkstelligen. Vielleicht ist die Metapher zum „DGFP congress // navigating the future“ gerade deshalb so passend, weil die Herausforderungen gewaltig sind. Denn gerade mit Blick auf HR stehen noch ein heiß diskutierter Fachkräftemangel (sehr schön, der Blick von Martin Gaedt auf dieses Thema), ein sich massiv verändertes Kommunikationsverhalten seitens unserer Zielgruppen sowie eine Enteignung der Markenmacher im Raum, die sich Bewertungsportalen und Co sei Dank nicht mehr auf ihr Sendungsbewusstsein verlassen können.
Tja, und was kann man nun aus Employer Branding Sicht beitragen, wo sich doch schon zahllose Experten mit den einzelnen Themengebieten wie Digitalisierung, Big Data, Agile Führung oder Change Management im Allgemeinen befassen und haufenweise Hilfestellung und Lösungsvorschläge anbieten. Ich bin Dienstleister, begleite also mehr, als dass ich selbst umsetze. Dabei betrachte ich gern die andere Seite der Medaille, also die, die den externen unverkrampften Blick auf Dinge lenkt, denen sich Organisationen in ihren Traditionen und in ihrer Prozessverliebtheit gern verweigern.
Meine Antwort auf die Frage, was HR mithilfe des Employer Brandings zur Marsmission beitragen kann, beginnt am besten mit einem kurzen Blick in die Geschichte dieser Zwitterdisziplin.
Dekade 1 – In der Personal Werbung lernte
Mitte der 1980er Jahre begann man in den Personalabteilungen, um Mitarbeiter zu werben, statt sie stumpf zu rekrutieren. Jobbeschreibungen wurden aufgepeppt und die Anforderungskataloge länger, denn am längeren Hebel saß definitiv der Arbeitgeber. In diesen zarten Anfängen orientierte sich Personal am klassischen Marketing und erfand das Personalmarketing. Entsprechend lag der Fokus auf schillernden Produkteigenschaften und alle Unternehmen avancierten zu den Besten. Innerhalb der Branche, respektive eines bestimmten Segments. In einer ausgewählten Region. In Bezug auf eine bestimmte Unternehmensgröße. Marktführerschaft jedenfalls war gesetzt. Da dieses selbstverliebte Vorgehen weit am Ziel vorbei schoss und man Horden von Menschen anlockte, die mitunter nicht annähernd zum Unternehmen und seiner Arbeitskultur passten, besann man sich auf eine strategisch fundiertere Vorgehensweise.
Dekade 2 – In der Big Player den Ton angeben
Die kam Mitte der 1990er in Form des Employer Brandings zu uns gerollt, nachdem 1990 Simon Barrow und Tim Ambler von der London Business School den Begriff Employer Brand im Journal of Brand Management erstmalig genannt und beschrieben hatten. Und natürlich sprangen die großen, internationalen Konzerne sogleich ins Boot. Man analysierte und verdichtete, bis ausgewählte Attraktivitätsmerkmale in Form der EVP die Schnittstelle aus Strategie, Mitarbeiterbefragung, Zielgruppenorientierung und Wettbewerbsdifferenzierung bildeten. Die daraus resultierenden Kampagnen waren bunt, aufwendig und leider oft austauschbar und oberflächlich. (Siehe dazu auch kritische Gedanken zum Mythos Arbeitgebermarke oder auch Glashaus Arbeitgebermarke)
Dekade 3 – In der Mitarbeiter zu Kommunikatoren werden
Dann endlich, ab Mitte der 2000er, hatte man den Stein der Weisen gefunden. Denn wenn man schon Mitarbeiter im Sinne glaubwürdiger Argumente und Versprechen ins Boot holt, dann spannt man sie doch auch gleich noch vor den Karren. Der Markt wurde geflutet von Testimonialkampagnen, von denen viele mehr oder weniger dieselben Botschaften aussanden. Der Blick wurde zunehmend auf eine durchgängige Kandidatenzufriedenheit, die Candidate Experience gelenkt. Und während man zuvor viel von sich erzählte (Wir sind, wir haben, wir können) begann man nun, die Zielgruppe direkt anzusprechen (Ihr seid, ihr habt, ihr könnt).
Und nun? Wie kommen wir damit zum Mars?
Seit nahezu 15 Jahren beschäftige ich mich nun mit diesen Themen, und wenn ich in die Geschichte des Employer Branding schaue, so muss ich feststellen, dass nach wie vor in den allermeisten Fällen der Fokus der Aktivitäten auf externer Wahrnehmbarkeit liegt. Freilich, postuliert wurde stets der Grundsatz inside-out und die Aspekte der Glaubwürdigkeit und Authentizität. Doch letztlich steht in den meisten Projekten ein neues Erscheinungsbild am Ende eines Prozesses.
Employer Branding muss sich emanzipieren, sich seiner ursprünglichen Bestimmung entledigen und aufhören, ein bisschen Marketing, ein bisschen Strategieentwicklung und ein bisschen Personalmanagement zu sein. Ihre Stärke spielt die Disziplin Employer Branding als Schnittstelle im Kontext nachhaltiger Organisationsentwicklung aus.
Für die externe Sichtbarkeit gibt es Marketingabteilungen und Kommunikationsdienstleister, für den strategischen Aspekt das Branding, das Marketing, vor allem aber die Unternehmensführung. Und für den Motor des Ganzen, die Menschen, die eine Marke und ein Unternehmen erfolgreich machen, gibt es die Personalexperten. Als Werbedisziplin taugt Employer Branding nichts, deswegen habe ich schon Ende letzten Jahres nicht als Erster aber doch sehr deutlich gesagt, dass das klassische Employer Branding tot sei. Als Personaldisziplin bleibt es hinter seinen Möglichkeiten zurück, weil es zu oft nebenbei und on top behandelt wird. Kein Verschulden der engagierten Personaler übrigens, sondern eine stiefmütterliche Delegation des Themas von der Fürhungsmansnschaft in die Personalabteilung, begleitet von fortschrittshemmenden Budgetvorgaben.
Die große Chance dieser Disziplin liegt in der Beantwortung von Haltungsfragen und in der Selbst-/Bewusstseinsbildung. Hat Employer Branding in den vergangenen 20 Jahren hauptsächlich der Werbung oder dem Recruiting gedient, sollte es heute und morgen unter dem Aspekt der Organisationsentwicklung betrieben werden. Und besser Employer Standing heißen. In jedem Projekt halten wir unseren Auftraggebern einen Spiegel vor, einen ziemlich großen. Darin finden sich Erkenntnisse, Anforderungen und Antworten auf Fragen
- der Unternehmensstrategie,
- der Unternehmenskultur,
- der Innovatonsfähigkeit und -kraft des Unternehmens,
- seinem Leistungspotenzial,
- der Mitarbeiterzufriedenheit
- und der damit oft eng verbundenen Führungskultur
- sowie letztlich auch der Arbeitgeberattraktivität.
Im Bereich der Organisationsentwicklung wird es daher richtig spannend, denn hier kann das Employer Branding seine Schnittstellenfunktion voll ausspielen.
Als Klammer von der Unternehmensstrategie über Führungsarbeit jenseits des delegierenden Managements der „Ressource Mensch“ bis hin zur Anwerbung und Bindung passender Mitarbeiter anstelle lückenloser Lebensläufe liefert das Employer Branding unzählige passende Antworten, weil es sich als einzige Disziplin gekonnt zwischen die Stühle setzt.
Und das meine ich durchaus positiv. Wer Haltung beweist, hängt dieses Thema mit allem was dazu gehört, nämlich interner Organisationsentwicklung, Changemanagement, Recruiting & Personalwerbung auf der Vorstands- oder Geschäftsführungsebene auf. Wer dort beginnt, mit Mitarbeitern und solchen, die an einer Mitarbeit interessiert sind, offene Unterhaltungen zu führen, kann Haltung demonstrieren. Aus der Haltung erwächst Identifikationspotenzial. Zudem können eine Reihe Themen strukturiert und vor allem interdisziplinär abgebildet werden, sodass anschließend Fachabteilungen wie Branding/Marketing, Kommunikation und Personal eng verzahnt das große Ganze entwickeln können – den nachhaltigen Erfolg.
Das eigentlich angestrebte Branding entsteht so aus sich selbst heraus.
Auf geht’s zum Mars
Und so bleibt für mich auch nach drei Jahren der Selbstständigkeit und der Reflektion dessen, was ich in den letzten Dekaden Employer Branding selbst getan habe, die Erkenntnis, dass zwei Sätze auch für den Aufbruch zum Mars von zentraler Bedeutung sind:
Gutes entsteht aus sich selbst heraus.
Die Auseinandersetzung mit zahlreichen Unternehmen von Versandhandel/E-Commerce über Einzelhandel, Technologiekonzern, Finanzdienstleister bis zu Energieversorgern, Medienunternehmen oder sozialen Einrichtungen hat gezeigt, dass man Attraktivität nicht erfragen kann. Man muss sie erleben. Die Komplexität der Arbeitsrealität dabei auf ein Modell zu reduzieren, wird der Arbeitgeberpersönlichkeit in all ihren Facetten nicht gerecht. Zuhören, auf Vollständigkeit verzichten, andere daran teilhaben lassen und der Zielgruppe die Entscheidung überlassen, ob das Erlebnis „Arbeitgeber“ attraktiv für sie ist oder nicht, erzeugt Passung.
Lust auf Leistung.
Wer in der Lage ist, andere mit auf eine gemeinsame Reise zu nehmen, stiftet Identifikation und entfacht intrinsische Motivation. Dabei ist die Lust noch höher zu bewerten, als die Leistung, weil Leistung letztlich das Ergebnis aus lustvollem Arbeiten ist. (Siehe auch „Gutes entsteht aus… ;-))
Ich habe gelernt: Attraktivitätsfaktoren, Positionierungsmodelle und Werbesprüche sind Schnee von gestern. Wenn sich Employer Branding emanzipiert und Strategie, Inhalt und Persönlichkeit in den Fokus rückt, schlägt es die Brücke zwischen Unternehmensführung, Markenarbeit und Organisationsentwicklung. Dort kann es Strategien und Umsetzungen verknüpfen, Abteilungen zusammenschweißen und Menschen begeistern. Und so Organisationen dahin entwickeln, wo sie erfolgreich sind. Und wenn es dafür bis zum Mars fliegen muss.