Bevor es im Zuge des Bewerbungs- und Einstellungsverfahrens tatsächlich zu einer Entscheidung kommt, braucht es einige Einstellungssachen. In der Regel Zeugnisse, mehrere Gespräche mit unterschiedlichen Menschen (mit denen man später nicht einmal zusammen arbeitet) sowie Tests oder Assessment Center.
These: Derartige Prozesse fördern die Passung Mensch und Administration statt Mensch und Organisation.
Es gibt drei Stufen der Passung, die im Zuge der Rekrutierung geeigneter Mitarbeiter eine Rolle spielen können: die Passung des Menschen zur Organisation, die Passung zum Team und die Passung zur Stelle.
Interessanterweise sind die meisten Einstellungsprozesse dazu geeignet, letztere herzustellen. Die entsprechend analysierten Einstellungssachen schaffen vor allen Dingen eins: formale Sicherheit dank schriftlicher Unterlagen. Im Rahmen des persönlichen Kontakts führt eine meist künstliche Atmosphäre früher oder später zu einem verkrampften und der Laborsituation entsprechend angepassten Verhalten. Auf dem Papier mag das passen. Tut es das auch noch nach der Probezeit?
Es ist gar nicht abzustreiten, dass einige dieser Testverfahren sehr hilfreich sind, um fachliche Eignung festzustellen. Die Frage jedoch, ob ein Mensch wirklich die notwendige intrinsische Motivation freisetzt, um gemeinsam mit anderen in einer Organisation genau dieser zum Erfolg zu verhelfen, wird dadurch nicht beantwortet.
Vorschlag: Fokussierung realitätsnaher Szenarien zur Entdeckung menschlichen Verhaltens.
Zugegeben, nicht alle fachlichen Aspekte kann man erlernen. Aber aber viele lassen sich sehr wohl schulen oder ausbauen. Die Frage, ob sich ein Mitarbeiter im Sinne der Unternehmensziele ins Zeug schmeißt, ist vor dem Hintergrund zunehmender Wissens- und Führungsarbeit gegenüber der produzierenden, ausführenden Tätigkeit des tailoristischen Zeitalters in größerem Maße abhängig von sozialer Kompetenz. Mit anderen Worten: menschlichem Verhalten. Dieses Verhalten lässt sich möglicherweise viel besser in Szenarien entdecken, die der Realität nahe kommen. Ein schönes Beispiel sind Interviews unter Hinzuziehung der tatsächlichen späteren Teammitglieder oder die Möglichkeit für den Bewerber, sich für einen bestimmten Zeitraum in den Räumlichkeiten und mit den Menschen aufzuhalten, mit denen er arbeiten wird. In den seltensten Fällen arbeiten ja diejenigen mit dem Bewerber zusammen, die über seine Einstellung entscheiden.
Ein inspirierendes Beispiel liefert Walt Bettinger, CEO bei Charles Schwab, der Bewerber beispielsweise zum Frühstück einlädt und den Ober instruiert, die Bestellung des Bewerbers durcheinander zu bringen. Die Reaktion des Bewerbers auf die Situation offenbart sein natürliches Verhalten. Nachzulesen auf businessinsider.com.
So betrachtet dürfte die Einstellung passender Mitarbeiter mehr eine Typfrage denn eine Frage sachlicher Kriterien sein. Weil formale Aspekte wenig darüber aussagen, ob der Typ Mensch, der sich fachlich eignet, überhaupt Lust darauf hat, das Unternehmen voranzubringen.
Oder wie sehen Sie das?